Dieses Jahr also wieder einmal Paddeln. Aber nicht in Frankreich, sondern in Tschechien, wo man angeblich auch ganz tollen Kanu-Urlaub machen kann.
Eine Einladung zu einer privaten Feier machte schliesslich die Wahl des Flusses einfach: Die Berounka sollte es also diesmal sein, die es zu entdecken galt.
Da wir noch nie etwas von diesem Fluss gehört hatten, machten wir uns also zunächst über das Internet schlau: Kann man auf der Berounka mit dem Faltboot fahren? Wie gefährlich ist der Fluss, was gibt es zu beachten und wo kann man Ein- und Aussteigen? Kann man wild zelten oder gibt es Campingplätze?
Die Planung am heimischen Küchentisch ist doch immer auch eine der schönsten Phasen: Der Urlaub entsteht quasi vor dem geistigen Auge und die erste Vorfreude kommt langsam auf…
Nach der ersten Recherche war für uns klar: Die Berounka ist kein Fluss für unser betagtes Pouch RZ85 Faltboot!
Durchschnittlich alle vier bis fünf Kilometer ein Wehr oder Flachwasserstellen, die im Milchkaffee-braunen Wasser erst in allerletzter Sekunde sichtbar werden, liessen uns zum Plastik-Kanadier eines örtlichen Vermieters greifen.
Was gleichzeitig den Vorteil hatte, dass kein Auto für den Urlaub benötigt wurde: In Tschechien sicher eine gute Idee, wenn man gern gutes Bier mag …
Die Berounka – Der Fluss
Die Berounka „entspringt“ in Pilsen durch den Zusammenfluss dreier Flüsse, der Mže, Úhlava und der Radbuza. Eine eigentliche Quelle gibt es also nicht und so kann man die Berounka von ihrer Entstehung bis zur Mündung in die Moldau im Prager Stadtteil Lahovice komplett paddeln. Knapp 140 Kilometer lang ist die Strecke, die allerdings unterhalb der namensgebenden Stadt Beroun (Flusskilometer 35) etwas monoton und langsam wird. Wer möchte, kann die restlichen Kilometer unter die Paddel nehmen und bis in die Moldau nach Prag weiterfahren – Für Landschaftsgeniesser ist meiner Meinung nach spätestens hier, besser noch zwischen Roztoky und Nizbor der Punkt des Fahrtendes gegeben.
Die Berounka ist sehr einfach zu fahren, ein idealer Familienfluss. Allerdings gibt es kein Paradies ohne Apfel und die Berounka bietet davon gleich zwei:
So sauber das Wasser im Fluss angeblich auch ist, so sehr mussten wir uns an die wirklich Milchkaffee-braune Farbe des Wassers gewöhnen. Bei uns zuhause gibt es meist klares Wasser, so dass die Berounka diesbezüglich einige Überwindung gekostet hat. Und dann sind da noch die Schwellen, die in regelmässigen Abständen alle paar Kilometer auf den Wanderfahrer warten. Einige sind mit etwas Übung fahrbar, an anderen muss man das Boot umtragen. Das sorgt für Abwechslung und alternative sportliche Betätigung.
Zum Glück sind die Tschechen ein durchaus praktisch denkendes Völkchen: An jedem zwingend umzutragenden Wehr gibt es meist auch eine kleine Bar, an der man sich entweder vorher stärken oder hinterher mit einem fantastischen tschechischen Bier belohnen kann.
Die Flussfahrt auf der Berounka
Zum Glück liessen wir unser Faltboot daheim. Auch mit einiger Vorsicht wären Verletzungen der Bootshaut wahrscheinlich unausweichlich gewesen, genau wie es im vor unserer Reise recherchierten Bericht auf www.wikingerpaddeln.de nachzulesen ist. So konnten wir nicht nur auf das sonst schlicht notwendige Auto verzichten und mit dem Zug anreisen, sondern auch einige Kilo Gepäck und das Aufbauen des Bootes sparen.
Der Startort Pilsen ist mit der Bahn sehr bequem zu erreichen:
Von Süddeutschland und der Schweiz aus geht es über Nürnberg direkt nach Plzen hl.n. – So heisst der Hauptbahnhof dort. In Pilsen angekommen, empfiehlt es sich eine Pension zu suchen oder bereits vorher über das Internet zu reservieren. Denn diese Stadt möchte zumindest kurz besichtigt werden und ohne eine eingehende Verkostung der weltbekannten Spezialität, des Pilsener Urquells, ist eine Weiterfahrt ohnehin frevelhaft.
Günstige Unterkünfte in Pilsen und Umgebung
Ein paar Adressen mit guten und preiswerten Unterkünften in Pilsen und Umgebung:
- Einfach und günstig: Tschechienhotel.com
- Etwas gediegener, aber trotzdem günstig: Hotel in Pilsen bei Expedia buchen.
Am Morgen nach unserer Ankunft fuhren wir mit dem Bus Nummer 20 bis nach Bílá Hora, eine Fahrt von gut 10 Minuten, die uns bis in die unmittelbare Nähe unseres Bootsverleihers, H2O-Sports brachte. Den Anbieter hatten wir zuvor im Internet gefunden und auf den Kontakt per E-Mail reagierte Pavel immer sehr schnell und speditiv, so dass wir uns diesem Bootsverleiher anvertrauten. Keine schlechte Wahl, wie sich nun herausstellte.
- Die Mietpreise von H2O Sports: http://en.pujcovnalode.cz/boat-house
Zur Zeit unserer Kanutour entsprach 1 EUR in etwa 20 CZ-Kronen. Also alles in allem ein relativ preiswertes Vergnügen!
Kurz nach dem Einchecken liess uns Roman, der nette und Englisch sprechende Mitarbeiter von Pavel an der Einwasserungsstelle auf einer Wiese in Bila Hora mit unserem Boot allein. Es konnte also losgehen…
Die ersten Kilometer sind ja immer die spannendsten: Wie reagiert das Boot, was ist das für ein Fluss? Nach kurzer Zeit fühlten wir uns mit der Plastikwanne von Pavel recht sicher auf dem relativ langsam fliessenden Fluss. Bis zur ersten Schwelle, die nicht lange auf sich warten liess.
Schnell war man wieder im üblichen Trott:
Anlanden, Wehr besichtigen, Strategie besprechen und dann entweder umtragen oder an der passenden Stelle durchfahren. Das macht mit den Kunststoff-Kanadiern übrigens richtig Spass, denn die Dinger sind quasi unkaputtbar und machen ziemlich viel mit. Ganz im Gegensatz zu den deutlich empfindlicheren Stoffhäuten der Faltboote!
Recht schnell wurde es Nachmittag und so wie alle paar Kilometer eine Schwelle auf uns wartete, so gab es auch alle 4-5 Kilometer einen direkt am Ufer gelegenen Campingplatz. Sehr praktisch und auch gut genutzt, denn die Berounka ist ein von Paddlern viel befahrener Fluss.
Nach „Pivo“ (Bier) war „Smažený“ (frittiert) das zweite Wort auf tschechisch, dass ich kennenlernen durfte.
Da die meisten Campingplätze etwas abgelegen von den Dörfern liegen und viele Paddler wohl auch gern vor Ort eine Stärkung zu sich nehmen, ist die Speisekarte bis auf ganz wenige Ausnahmen von allerlei Frittierten dominiert. Wahrlich nichts für Feinschmecker!
Auf einem Campingplatz in der Nähe von Roztoky durfte ich sogar staunend Zeuge werden, wie eine (gefrorene) Tiefkühlpizza in das heisse Öl wanderte, nach kurzer Zeit mit eingelegtem Weisskohl aus dem Glas garniert wurde und dann vom Kunden ganz selbstverständlich verzehrt wurde. Andre Länder, andre Sitten…
Auf keinen Fall versäumen sollten Sie jedoch das kleine Restaurant „U Jezzu“ an der Schwelle oberhalb von Roztoky!
Nach tagelanger Frittenkost gibt es dort richtige tschechische Küche, tradtionielle Kost mit Knödeln und herzhafter Sauce zu anständigen Preisen. Das Ambiente ist toll und das Personal freundlich. So muss das sein!
Hin und wieder überquert eine Fähre die Berounka, ankert eine Bar im Fahrwasser oder überholt man lustige Partygesellschaften die mit ihren selbstgebauten Booten die Berounka herunterschaukeln. Ein ausgelassenes Treiben, das eine ruhige Urlaubsstimmung wie z.B. auf der Loire nicht aufkommen lässt. Wild Zelten ist fast unmöglich und die Versorgung ausserhalb der Campingplätze meist mit einem längeren Fussmarsch verbunden. Trotzdem: Ein tolles Paddelrevier und eine interessante Erfahrung.
So flossen die Tage dahin wie unter uns der Fluss: Durch tolle Landschaften, Berge, Burgen und Schlösser, bis schliesslich Roman vor dem Zelt stand und unser Boot in Račice wieder auf sein Auto lud. Eigentlich hatten wir vorgehabt bis Prag zu fahren. Aber das Wetter wurde schlecht und wie wir bei einem Ausflug gesehen hatten (und uns alle auch bestätigten), wurde die Berounka nicht attraktiver. Wir kniffen also, drei Tage vor dem eigentlichen Tour-Ende und fuhren mit dem Zug gaaanz langsam Richtung Cheb, zurück nach Nürnberg und dann in die Schweiz.
Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ich vielleicht mal erzählen werde.
Informationen zum Kanu-Fahren auf der Berounka
Die folgenden Webadressen und Bücher waren für unsere Reisevorbereitung sehr nützlich:
- Flussführer „Berounka“ von www.shocart.cz, in Deutschland erhältlich z.B. bei http://www.mapfox.de
Dieser Führer ist auf tschechisch, das macht aber nichts, weil jede Schwelle kartografiert und fotografiert dargestellt wird. Mit Anlandestellen und grafischen Durchfahrtanweisungen, die sogar stimmen! Unentbehrlich!
Kann man auch billiger vor Ort bei Pavel kaufen, macht aber zuhause bei der Planung mehr Spass.- Alle Campingplätze an der Berounka auf einer Map, zum anklicken: http://www.campingplatze.cz/kempy-mapa/berounka
- Ein kurzer Bericht einer Berounka-Tour: http://blogs.tschechien-online.org/2009/06/23/entspannung-pur-paddeln-auf-der-berounka/
- Aktueller Pegelstand und Befahrungszustand der Berounka: http://www.kanusport.at/cechy/berounka.aspx
- Recht guter Bericht über eine Berounka-Tour: http://www.wikingerpaddeln.de/05_Touren/2003_Berounka/2003_Berounka.htm
Mit diesen Infos sollten Sie gerüstet sein für eine Tour durch das wilde Tschechien. Ich hoffe, ihnen macht es so viel Spass wie uns – und Sie schreiben mal, wie es Ihnen gefallen hat.
Für Anregungen, Lob und Kritik bin ich natürlich jederzeit zu haben. Schreiben Sie einfach in das Formular unten – ich antworte bestimmt!
Jetzt aber los, nach Tschechien!